Broadcom und der Channel VMware: Partner zwischen Abkehr und Treue

Von Dr. Dietmar Müller 6 min Lesedauer

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Nach wie vor schlagen die Wellen hoch: Auf seiner Hausmesse Explore hat VMware die Partner auf den neuen Kurs eingeschworen. IT-BUSINESS hat sich bei den deutschen Partnerunternehmen umgehört: Nicht wenige sind empört, andere zeigen sich pragmatisch, einige sogar begeistert.

Der neue Kurs bei VMware schlägt immer noch Wellen in der Branche.(Bild: ©  4th Life Photography - stock.adobe.com)
Der neue Kurs bei VMware schlägt immer noch Wellen in der Branche.
(Bild: © 4th Life Photography - stock.adobe.com)

Es knirscht so gewaltig, wie es selten in der IT-Welt zu hören war: Seit der Übernahme von VMware durch Broadcom hat sich die Beziehung zwischen den Channel-Partnern und VMware grundlegend, nun ja, gewandelt. Die Strategie des neuen Eigentümers hat zu einer umfassenden, um nicht zu sagen drastischen Neuausrichtung des Partnerprogramms geführt – und zum Ausdünnen des Channel-Netzwerks.

Auf der Ende August abgehaltenen VMware Explore in Las Vegas wurden die verbliebenen Partner auf das neue Kernprodukt eingeschworen: VMware Cloud Foundation (VCF) 9.0 konsolidiere das heterogene Produktportfolio und eröffne eine umfangreiche Nutzung der Künstlichen Intelligenz (KI), so Broadcom-CEO Hock Tan in seiner Keynote.

Laura Falko, Head of Global Partner Programs, Marketing & Experience bei Broadcom, forderte die Partner auf, sich ganz auf das neue Flaggschiff-Produkt einzulassen. Früher sei das Business mit VCF von kleineren Partnern gehemmt worden, diese habe man nun aber „ausgesiebt“. VCF könne nur durch Partner an den Kunden gebracht werden, die über tiefes technisches Verständnis, Beratungsfähigkeiten und die Fähigkeit zur Implementierung verfügten, erläuterte Kevin Moats, seit Januar Senior Vice President für Global Commercial Sales und Partners. Entsprechend wolle man nur noch mit ausgewählten Unternehmen zusammenarbeiten, die sich vorrangig um große Unternehmenskunden kümmern und ihnen die Rückkehr aus der Public Cloud in eine VMware-basierte Private Cloud schmackhaft machen sollen.

Partner wenden sich mit Grausen ab

Das passt nicht allen, vorsichtig formuliert. Als Reaktion auf die neue Firmenpolitik sind bereits eine ganze Reihe von Partnern in Deutschland „freiwillig“ von der Stange gegangen, auch große. Exemplarisch sei hier etwa FSAS Technologies, eine Tochtergesellschaft der Fujitsu-Gruppe, angeführt. Mit Wirkung zum 11. Juni dieses Jahres erklärte der Rechenzentrumsexperte seinen Status als „VMware Value Added OEM“ (VAO) für beendet.

Ein weiterer definitiver Aussteiger aus der Partnerbeziehung zu VMware ist der Rechenzentrumsexperte Telemaxx aus Karlsruhe, der Broadcom-Technik nur noch auf ausdrückliches Verlangen des Kunden unterstützt und betreut, diese müssten dann aber auch für die Lizenzen selbst aufkommen. Telemaxx setzt nun stattdessen bevorzugt auf die Open-Source-Software OpenStack.

Die von Broadcom eingeführten Lizenz- und Preismodelle sind für unsere Kunden wirtschaftlich weder attraktiv noch zukunftsfähig.

Patrik Menne, Vice President Cloud & DataCenter bei Netgo

Auch Netgo, Anbieter von Full-Managed-Service-Leistungen mit Hauptsitz in Berlin, hat sich von VMware abgewendet. Dessen Vice President Cloud & DataCenter Patrik Menne erklärte gegenüber IT-Business, dass zwar die „Stressflecken mittlerweile weitgehend abgeklungen“ seien, er aber keinerlei Motive mehr für eine strategische Partnerschaft mit Broadcom ausmachen könne: „Unsere Gründe sind eindeutig: Zum einen bietet die weitere Zusammen­arbeit aus kommerzieller Sicht keinen erkennbaren Vorteil. Die von Broadcom eingeführten Lizenz- und Preismodelle sind für unsere Kunden wirtschaftlich weder attraktiv noch zukunftsfähig. Zudem erleben wir Broadcom nicht als verlässlich – Eigenschaften, die für eine langfristige Geschäftsbeziehung essenziell sind“, so Menne.

Patrik Menne, Vice President Cloud & DataCenter bei Netgo (Bild:  Netgo)
Patrik Menne, Vice President Cloud & DataCenter bei Netgo
(Bild: Netgo)

Zum anderen wiege der „ethische Aspekt“ schwer: „Der Umgang von Broadcom mit Kunden und Partnern seit der Übernahme steht im klaren Widerspruch zu unserem Verständnis von Fairness, Transparenz und nachhaltiger Partnerschaft. Unter diesen Rahmenbedingungen fehlt die Basis für eine strategische Zusammenarbeit.“

Seine Kollegin Sarah Baumeister, Service Strategist bei Netgo, beobachtet generell „einen deutlichen Trend weg von VMware“. Das eröffne neue Chancen durch ein alternatives Portfolio: „Unser Netgo Cloud-Offering basiert heute schon auf einer OpenStack-Plattform. In On-Premises-Szenarien setzen wir unter anderem auf Lösungen wie Nutanix und Proxmox.“

Das kann Jan-David Brustik, Channel Lead HPE Morpheus VM Essentials, Central Europe, HPE, bestätigen. Insbesondere die kleinen und mittelständischen Kunden sowie die sie betreuenden HPE-Partner verabschiedeten sich aktuell mit Verve von VMware. An dessen Stelle träten zunehmend Alternativen wie das hauseigene Virtualisierungsprodukt HPE Morpheus VM Essentials, aber auch Nutanix, Azure Local oder Hyper-V, die von HPE unterstützt werden.

Jan-David Brustik, Channel Lead Central Europe bei HPE(Bild:  HPE)
Jan-David Brustik, Channel Lead Central Europe bei HPE
(Bild: HPE)

„Nach einer Phase des Abwartens schreiten sie jetzt zur Tat, weil sie sehen, dass sich das gesamte Virtualisierungs-­Ökosystem weiterentwickelt hat. Nicht nur gibt es inzwischen mehrere ausgereifte Alternativ-Plattformen – auch immer mehr Anbieter angrenzender Software, etwa für Backup und Recovery oder ERP-Software, unterstützen diese Alternativen“, so Brustik gegenüber IT-BUSINESS. „Es war noch nie so einfach, mit einem IT-Leiter einen Termin zu bekommen.“ Insgesamt schätzt er die Lage als turbulent ein: „Öffentlich ist es zurzeit relativ ruhig, im Hintergrund passiert viel – aber nicht in allen Kundensegmenten.“

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Nach einer Phase des Abwartens schreiten sie jetzt zur Tat, weil sie sehen, dass sich das gesamte Virtualisierungs-Ökosystem weiterentwickelt hat.

Jan-David Brustik, Channel Lead Central Europe bei HPE

Treu und fest

Auch Peter Rudolf, CEO von MightyCare, setzt mit Proxmox verstärkt auf eine Alternative zu VMware, das sich insbesondere für Kunden eigne, „die Wert auf Kostenkontrolle legen“. VMware bleibe für sein Unternehmen aber weiterhin ein Kernbaustein, mit dem Private-Cloud-Szenarien mit Fullstack Managed Services betreut werden könnten. Von einem generellen Trend weg von VMware will der Geschäftsführer eines der ersten VMware Consulting Partner in Deutschland aber nichts wissen, einen „Massen-­Exodus“ könne er schon gar nicht ausmachen: „Kunden mit komplexen Strukturen halten an VMware fest, während andere die Chance nutzen, neue Plattformen auszuprobieren.“

Auch Yves Sandfort, Gründer und CEO von Comdivision Consulting mit Sitz in Münster, steht weiter fest an der Seite von VMware: „Ja, es hat neue Verwerfungen gegeben, aber keine, die uns betreffen.“ Am „Trend weg von VMware“ nähmen geschätzt weniger als 5 Prozent der Comdivision-Kunden teil: „Im Bereich Professional Services rund um VMware ist der Bedarf sogar eher steigend.“

Am ‚Trend weg von VMware‘ nehmen geschätzt weniger als 5 Prozent der Comdivision-Kunden teil: Im Bereich Professional Services rund um VMware ist der Bedarf sogar eher steigend.

Yves Sandfort, Gründer und CEO von Comdivision Consulting

VMware klebt an den Anwendern

Der Abschied von VMware fällt Partnern wie Anwendern gleichermaßen schwer, weil VMware-Technik „klebt“, wie IDC ­Program Vice President Jim Mercer es erst kürzlich ausgedrückt hat. Die Software sei so umfangreich in die Unternehmens-­Infrastruktur einzementiert, dass sich eine Migration kaum rechne, zumal alternative Software und dafür geschultes Personal rar gesät sei. Von den damit verbundenen Risiken ganz zu schweigen. Brustik sieht daher insbesondere bei Großunternehmen „viel VMware im Einsatz“, zumal diese auf verschiedenste Features angewiesen seien, die über die klassische Virtualisierung hinausgingen. „Außerdem spüren große VMware-Kunden weniger starke Preissteigerungen durch das neue Lizenzmodell“, so der HPE-Manager.

Yves Sandfort, Gründer und CEO von Comdivision Consulting(Bild:  Fotografie Witte Wattendorff)
Yves Sandfort, Gründer und CEO von Comdivision Consulting
(Bild: Fotografie Witte Wattendorff)

Rudolf von MightyCare beobachtet entsprechend und d’accord zu Sandfort und Brustik, dass „Organisationen mit stark gewachsenen Infrastrukturen“ pragmatisch bei VMware bleiben. Die Kunden wüssten genau, wie hoch der Aufwand für einen Umstieg ausfallen würde. „Viele entscheiden sich deshalb, ihre VMware-Umgebungen für die nächsten ein bis drei Jahre weiterlaufen zu lassen, auch wenn sie parallel Alternativen prüfen“, so Rudolf.

Grundsätzlich verstehe er daher den neuen Kurs von VMware: „Public Cloud ist oft zu teuer. Deshalb macht es Sinn, dass Broadcom den On-Premises-Ansatz wieder stärker betont“, so Rudolf weiter. „Ich bin überzeugt: Die Mehrheit der Kunden wird weiterhin Infrastruktur selbst bereitstellen müssen, weil ihre Anwendungen es verlangen. Solange nicht alles in Containern läuft, behalten On-Premises-Lösungen ihre Bedeutung – sei es mit VMware oder mit Plattformen wie Proxmox.“

Die VMware-Übernahme

Broadcom hat am 26. Mai 2022 die Übernahme von VMware für rund 61 Milliarden US-Dollar in Bar- und Aktienanteilen angekündigt – einer der größten Tech-Deals aller Zeiten. Nach langwierigen Prüfungen durch internationale Aufsichtsbehörden schloss Broadcom den Kauf am 22. November 2023 ab. Mit einem finalen Volumen von etwa 69 Milliarden US-Dollar setzt der Konzern seither auf margenstarke Softwarelösungen.

Die die Spitze des Eisbergs

Aus Sicht von Broadcom hat man mit der Übernahme alles richtig gemacht: Der Kurs der Aktie hat sich seit der Bekanntgabe der Übernahmepläne im Mai 2022 mehr als verdreifacht. Der strategische Fokus auf margenstarke Softwarelösungen und wiederkehrende Umsätze ist bei den Anlegern gut angekommen. Im ersten Quartal 2025 stiegen zudem die Softwareerlöse im Jahresvergleich um 47 Prozent, das Softwaregeschäft erreichte Margen von 76 Prozent, während das Halbleitergeschäft bei lediglich 57 Prozent lag. Die meisten Finanzanalysten empfehlen die Aktie weiterhin zum Kauf und sehen großes Potenzial.

Partner dürfen daher vielleicht ebenfalls auf steigende Einnahmen, nicht jedoch auf Erleichterungen hoffen. Nach Ansicht von Sandfort hat Broadcom seine europäischen Partner bislang sogar noch geschont: „Wer als Partner meint, das war die Spitze des Eisbergs, täuscht sich, da wird aus meiner Sicht noch mehr kommen.“ Broadcom erwarte sich loyale Partner mit vollem Einsatz, andere würden „über kurz oder lang aus dem Programm aussteigen müssen“.

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